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Netzwerk Public Affairs

Stellungnahme zum Lobbyregistergesetz der Großen Koalition



Seit mehreren Jahren werden in der Fachöffentlichkeit und darüber hinaus Diskussionen über die Einführung eines öffentlichen Registers für Interessenvertreter geführt. Hier hat sich das Netzwerk Public Affairs bereits frühzeitig aktiv eingebracht und vertritt die im Anhang beigefügte Position mit folgenden Grundsätzen:


  1. Wird ein verpflichtendes Register eingeführt, so muss es ausnahmslos für alle Interessenvertreter verbindlich gelten.

  2. Neben den Kontaktdaten (analog der derzeitig beim Bundestag geführten Verbändeliste) sind die Interessen- und Themenschwerpunkte aufzuführen.

  3. Die Registrierten veröffentlichen die vollständige prozentuale Zusammensetzung ihrer Einnahmequellen wie Mitgliedsbeiträge, Spenden, Zuwendungen der öffentlichen Hand, Honorare etc.

Der vorliegende Gesetzentwurf ist getrieben von einer veröffentlichten Meinung, die Einzelfälle skandalisiert und somit Mythen über illegitime Einflussnahme als Regelfall schürt. Damit wird nicht nur ein zweifelhaftes Verständnis über den demokratischen Willensbildungsprozess und die verfassungsrechtlich verankerte Interessenvertretung unterstützt, sondern einem gesamten Berufsstand unlautere Absichten unterstellt.


Diesem Eindruck tritt das Netzwerk Public Affairs vehement entgegen und unterstützt geeignete und verhältnismäßige sachorientierte Maßnahmen, die dazu geeignet sind, durch mehr Transparenz zu einem sachorientierten und zielorientierten Dialog beizutragen, um das negative Bild von Interessenvertretern zu entmystifizieren.


Zu den einzelnen Inhalten des Gesetzentwurfs

ad § 1 I

Der Anwendungsbereich muss ausnahmslos alle Interessenvertreter umfassen und darf keine Privilegierung einzelner Lobbygruppen wie Kirchen, Rechtsanwälte oder Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände vorsehen (§ 1 I Nr. 6, 7, 9). Diese Ausnahmen stellen aus unserer Sicht eine verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung dar.


§ 1 I Nr. 6 Der Gesetzentwurf begründet die Ausnahme der Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände von der Registrierungspflicht mit der kollektiven Koalitionsfreiheit nach Art. 9 III GG. Die kollektive Koalitionsfreiheit bedeutet hingegen vor allem das Aushandeln, den Abschluss und die Anwendung von Tarifverträgen, in denen insbesondere das Arbeitsentgelt und die anderen materiellen Arbeitsbedingungen geregelt werden. Zur spezifisch koalitionsmäßigen Betätigung rechnen ferner die Werbung für die Koalition, die Beratung und gerichtliche Vertretung von Mitgliedern, die Beteiligung an der betrieblichen Mitbestimmung und Arbeitskampfmaßnahmen. Eine Registrierungspflicht würde demnach keine Grundrechtsbeschränkung und auch keinen Eingriff in den Schutzbereich des Art. 9 III GG darstellen. Daher ist eine Privilegierung verfassungsrechtlich nicht zu begründen.


§ 1 I Nr. 7

Eine Privilegierung von Rechtsanwälten gegenüber anderen Berufsgruppen lässt sich verfassungsrechtlich nicht begründen.


§ 1 I Nr. 9

Auch wenn die Religionsfreiheit nach Art. 4 I GG, hier insbesondere die korporative Religionsfreiheit, ein schrankenloses Grundrecht ist, ist fraglich, ob daraus eine tragfähige Argumentation zur Ausnahme der Religionsgemeinschaften von der Registrierungspflicht erwächst. Desweiteren wird aus dem vorliegenden Gesetzesentwurf nicht deutlich, ob von der Registrierungspflicht sämtliche Religionsgemeinschaften ausgenommen sind oder nur jene, die Körperschaften des öffentlichen Rechts sind (Art. 137 V WRV i. V. m. Art. 140).


Die Berufsfreiheit nach Art. 12 I GG als schützenswertes Verfassungsgut für sämtliche Interessenvertreter wird nach unserer Auffassung in dem Entwurf nur unzureichend gewürdigt. Insbesondere mit Blick auf die Sonderstellung von Rechtsanwälten, die sich gleichermaßen auf Art. 12 I GG berufen können, scheint die Berufsfreiheit von Nicht-Rechtsanwälten als Rechtsgut nicht Erwägung gezogen worden. Die Unterscheidung zwischen einer Tätigkeit im Rahmen eines Mandats (mit Registrierungspflicht) und der Rechtsdienstleistung (ohne Registrierungspflicht) stellt in Wirklichkeit ein Schlupfloch für eine Interessenvertretung durch Rechtsanwälte dar und kann nicht im Sinne des Gesetzgebers sein.


Mit der Privilegierung einzelner Gruppen würde der Meinungsbildungsprozess verzerrt und das Vertrauen in den politisch-parlamentarischen Entscheidungsprozess nachhaltig geschwächt werden.


ad § 2 I Nr. 8, 9

Angaben mit absoluten Zahlen zu Einnahmen oder Ausgaben sind nicht zielführend, da sie durch Doppelnennungen – beispielsweise auf Seiten von Auftraggebern und Auftragnehmern – manipulativ verwendet werden können und keine Transparenz über die Arbeit von Interessenvertretern schaffen. Für Einzelberater käme dies einer Offenlegung ihrer Steuererklärung nahe, was nicht Absicht des Gesetzgebers sein kann (§ 2 I Nr. 8). Eine Auflistung der prozentualen Zusammensetzung von Einnahmequellen ist hingegen aussagekräftiger und eindeutig.


Begründung zu § 2 I

Sofern die Interessevertretung im Auftrag eines Dritten erfolgt, müssen die finanziellen Aufwendungen nach Kunden oder Mandanten aufgelistet werden. Wird auch hier eine Auflistung mit absoluten Zahlen vorgesehen, stellt diese Regelung einen unverhältnismäßigen Eingriff in den Kundenschutz dar.


ad § 3 I, II

Das Netzwerk Public Affairs e.V. begrüßt den Ansatz für einen anerkannten Verhaltenskodex sowie die Einführung sanktionsbewährter Regularien im Zuge der Selbstregulierung und betont die Bereitschaft, daran aktiv und konstruktiv mitzuwirken. Das Netzwerk Public Affairs e.V. verfügt bereits über einen für unsere Mitglieder verbindlichen Verhaltenskodex. Hinsichtlich eines öffentlichen Rügeverfahrens, welches wir unterstützen, sollten konkretisierende Bestimmungen mit Blick auf die Verfahrensweise in das Lobbyregistergesetz aufgenommen werden, um eine möglichst hohe Transparenz herzustellen.


Desweiteren begrüßt das Netzwerk Public Affairs e.V. die Einrichtung eines Lobbyrats, um die ohnehin schon stattfindende Selbstkontrolle der Branche zu institutionalisieren.

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